Als fixes Anzeichen sicher einer androhenden Midlife-Crisis und in Vorbereitung dessen, acht Monate Dunkelheit, Kälte und Einsamkeit, also den Winter im Osten Österreichs, ohne ernsthafte psychische Schäden zu überleben, beschließe ich Ende des Jahres, eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nahe Purkersdorf abzuschließen. Ich weiß: Ich Trottel. Großer Fehler.

Aber wer nicht hat, der hat. Wenigstens ist das Fitnessstudio im Gegensatz zu meiner bescheidenen Wohnung inklusive Gastherme aus dem Jahr 1995 gut geheizt und es gibt dort sogar eine kleine finnische Sauna, die benutzt werden darf und soll. Dort tummeln sich je nach Wetter und Fernsehprogramm viele oder sehr viele alte oder noch ältere Herrschaften und Damen, die nach fünf Minuten und einem Seiterl Bier (ein Terminus, den kaum jemand außerhalb Oberösterreichs versteht, was mich nicht daran hindert, ihn jedes Mal zu verwenden) an der Protein Bar reif sind für ein wenig Entspannung. Auch ich beschließe nach dem ersten Tropfen Schweiß, der sich auf meiner Stirn bildet, das Boot Camp abzubrechen und das Schwitzen passiv in der Sauna fortzusetzen.

Neben dem Eingangsbereich liegt ein kleiner Kalender, in den sich Fitnessstudio-BesucherInnen in Halbstunden-Intervallen für den Schwitzkasten anmelden können. Aber ähnlich wie österreichische und deutsche Touristen im All-Inclusive-Urlaub ihre Liegen am Pool schon in den frühen Morgenstunden mit ihren Handtüchern besetzen, machen dies auch die gefuchsten Hobbysportler im Studio und tragen sich mal gleich pauschal von 13 bis 18 Uhr für die Sauna ein. Montag bis Sonntag. Sonst könnte ja jeder kommen. Ich Kleingeist, der ich mich trotz der allgemein herrschenden Anarchie und Ellenbogen-Mentalität brav an Spielregeln halte (Ausnahme: „siag i ned ein“), trage mich in eine freie Spalte ein und freue mich schon auf einen entspannten Aufguss. Als jemand, der mehr unfreiwillig als freiwillig schon in einige Show-Aufgüsse in österreichischen Thermen- Landschaften gestolpert bin, habe bereits eine dicke Haut, was die Erträglichkeit von Saunen betrifft. „Aladin und die Wunderlampe-Aufguss“ mit Nebel und Lasershow, „Most-Fassl- Aufguss“ mit Most-Doku auf der Leinwand, „Einreiben mit Darbo Frühstückshonig aus einem Plastik-Schüsserl-Aufguss“, „Stammtisch-Bier-Schnaps-Most-Wein-Aufguss“, und, und, und. Auf die Show, die sich mir aber gleich in der Fitnessstudio-Sauna bieten wird, bin ich nicht vorbereitet.

Statt der maximal vier Personen sitzen bereits sechs Herren mit Haut- und Charakter-Typ „Zwetschkenkrampus“ auf den Saunabänken und grölen wie im Wirtshaus aufeinander ein. Meine anfänglichen Versuche, das sinn- und inhaltslose Geplapper durch schiere Willenskraft einfach aus meinem Hirn auszufiltern, scheitern nach wenigen Sekunden. Wie Sturzbäche strömen die Sätze und Wörter der Saunageher ungefiltert durch meine offenen Ohren in meinen Kopf und reißen alles mit sich. Ich bekomme die ganze Show, das komplette Repertoire wird innerhalb weniger Minuten verfeuert. Kein Auge und kein verschwitzter Backhendl-Friedhof bleiben trocken bei der Mischung aus falsch erzählten Herrenwitzen und belanglosen Geschichten. Wie in einem Theaterstück treiben sich die lautstarken Alleinunterhalter gegenseitig zur Höchstform an, lassen keine Peinlichkeit aus und zerstören gekonnt und konsequent jeden Moment von Stille und aufkommender Entspannung.

Im dritten Akt läutet ein etwas jüngerer Herr, dessen Körper aussieht wie ein Überraschungsei mit Storchenbeinen, das Grand Finale ein. Den Aufguss. Was soll ich sagen? Anstatt der erhofften Erlösung durch verdampfendes, mit ätherischen und wohltuenden Ölen geschwängertes Wasser, das in meine Lungen strömt, bekomme ich etwas anderes. Das Überraschungsei macht seinem Namen alle Ehre, reißt die Saunatüre sperrangelweit auf, nimmt sein durchgeschwitztes Handtuch, auf dem sich noch vor wenigen Sekunden zwei nasse Arschbacken und ein paar salzige Hoden geschmiegt haben, und wirbelt damit die warme Luft aus der und die kalten Schweißtropfen vom Handtuch in die Sauna. Meine Augen brennen wie Feuer, ebenso wie meine Wut, die sich ihren Weg über den Bauch in meinen Hals bahnt.

Als ich wenige Minuten später unter der eiskalten Dusche stehe, muss ich unwiderruflich an den Tod denken. Im katholischen Glauben wird die Hölle, der Platz der ewigen Verdammnis, als lodernder Flammenort dargestellt, in dem Teufel und Dämonen wohnen, Seit heute weiß
ich vielmehr, die Hölle ist eine lauwarme Sauna, in der Zwetschenkrampi auf Holzbänken sitzen und sich gegenseitig den Schweiß um die eigenen Ohren wacheln.

Diese Geschichte ist eine von vielen, die irgendwann 2024 als Buchprojekt unter dem Arbeitstitel „Purkersdorfer Impressionen“ von Purkersdorf Online erscheinen könnten. Falls dir die Kurzgeschichte gefallen hat und du mehr davon lesen möchtest, würde ich mich über ein ehrliches Feedback in den Kommentaren oder auf kontakt@purkersdorf.online freuen

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