Der Scheibenklopfer ist ein Mann Mitte 40, er trägt gerne schwarz und trägt einen bereits ergrauten kurzen Bart. Schon von Kindheit an hat der Scheibenklopfer gerne auf Scheiben geklopft. An die Glasscheiben von Bücherläden, Kaugummiautomaten, Glasvitrinen oder Windschutzscheiben von parkenden Autos. Der Scheibenklopfer schläft nicht lange. Zu sehr brennt die Wut in seinem Bauch, schon lange bevor die ersten Vögel zwitschern und die ersten Sonnenstrahlen seine von feinen Blutgefäßen durchzogene Nase kitzeln. Warum er wütend ist, dass weiß der Scheibenklopfer eigentlich nicht so genau. Aber das macht ihm nichts, denn wichtig ist, dass er wütend ist. Und diese Wut muss der Scheibenklopfer jeden Tag aufs neue aus sich herausklopfen, sonst staut es sich in ihm auf und er kann nicht mehr aufs Klo gehen, bis er wieder geklopft hat, so groß ist die Wut des Scheibenklopfers. Er steht also jeden Morgen auf, zieht sich jeden Tag die gleiche schwarze Jeanshose, die gleiche schwarze Jacke an und tritt vor die Türe. Wo er heute klopfen wird, das weiß der Scheibenklopfer noch nicht. Er sucht sich die zu klopfende Scheibe jeden Tag von neuem. Minutenlang steht er dann am Fahrbahnrand und wartet. Wartet auf vorbeifahrende Autos, Radfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer. Der Scheibenklopfer wartet so lange, bis einer der Verkehrsteilnehmer ein Stoppschild übersieht, zu schnell oder zu langsam unterwegs ist oder sonst irgendetwas falsch macht, aus der Sicht des Scheibenklopfers. Dann hechtet er vom Fahrbahnrand in die Mitte derselbigen und klopft gegen die Scheiben der Autos. Mit hassverzerrtem Gesicht klopft der Scheibenklopfer dann auf die Scheiben und reißt dabei seine Augen weit auf. In diesen Momenten lebt der Scheibenklopfer, in diesen Momenten spürt der Scheibenklopfer, dass er lebt und dass er existiert. In diesen Momenten ist der Scheibenklopfer Kläger, Richter und Exekutor in einer Person. Er klopft, nicht unbedingt um den Verkehrsteilnehmer auf seine Fehler aufmerksam zu machen. Er klopft, um sich selbst auf seine eigene Existenz aufmerksam zu machen. Versucht man den Scheibenklopfer zur Rede zu stellen, warum er denn klopfe, so wird der Scheibenklopfer nur noch wütender. Es kann dann auch passieren, dass er Türen auf- und zuschlägt, schimpft, spuckt und seine Brille von innen anläuft. So wütend ist der Scheibenklopfer. Manchmal trägt der Scheibenklopfer einen Tretroller auf seinen Schultern, manchmal trägt der Scheibenklopfer ein Einkaufssackerl in seinen Händen. Immer trägt der Scheibenklopfer aber seine schwarze Kleidung. So kennt man ihn, den Scheibenklopfer.

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